Nach dem Ende des Tagebaus war die Landschaft in der Niederlausitz eine ausgeräumte Industriebrache, das Erdreich zerfurcht von den Schaufeln der Braunkohlebagger. Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen ist heute ein Vorzeigeprojekt des Naturschutzes. Viele Engagierte setzten sich damals ehrenamtlich für den Naturschutz in der Region ein. Die BVVG* wollte die Flächen verkaufen und die Menschen vor Ort überlegten, wie man die Landschaft im Sinne des Naturschutzes sichern könnte. Im Jahr 1999 besuchten Inge und Heinz Sielmann Brandenburg und beratschlagten, ob ihre Stiftung die Flächen erwerben könne. Nie zuvor hatte eine private Stiftung so viel Fläche in der Bergbaufolgelandschaft erworben. Heinz Sielmann war skeptisch. Doch seine Frau überzeugte ihn. Gemeinsam standen sie in der Abendsonne an der Abbruchkante der Schlabendorfer Grube, als Inge Sielmann feststellte: „Heinz, hier werden wir tätig.“ Ein Jahr später erwarb die Stiftung die ersten 722 Hektar.
„Der Braunkohletagebau hat über Jahre hinweg in großen Teilen Ostdeutschlands den Lebensraum verschiedenster Tier- und Pflanzenarten großflächig verändert. [...] Hier hat meine Stiftung ein rund 3.000 Hektar großes Gebiet gekauft, um der Natur eine Chance zu geben wieder zu gesunden. [...] Wir geben der Natur zurück, was wir ihr vor Jahrzehnten weggenommen haben.“ (Heinz Sielmann, im März 2005 in Wanninchen)
Wo einst die gigantischen Braunkohlebagger die Erde nach Bodenschätzen durchwühlten, entsteht eine neue Wildnis. Die scheinbar tote Wüste, die die Bagger hinterließen, ist voller Leben. Heute buddeln hier andere: Kreiselwespen graben Niströhren in den losen Sand. Der Ameisenlöwe legt kunstvolle Trichter an, die sich für seine Beutetiere als tödliche Falle erweisen. Viele weitere Tiere, die in der intensiv genutzten Landschaft kaum noch Lebensraum finden, haben die Bergbaufolgelandschaft für sich entdeckt.
Die Bagger holten nicht nur Kohle sondern auch uralten Sand aus der Tiefe nach oben. Die riesigen Abraumhalden bedecken die Oberfläche. Sie bieten keine Nährstoffe, wenig Halt. Sie sind den Naturgewalten ausgesetzt. Die Sonne heizt den Boden auf, der sich in der Nacht stark abkühlt. Der Wind pfeift darüber hinweg. Leben spendendes Wasser versickert schnell oder verdunstet. Hier können nur wahre Überlebenskünstler Wurzeln schlagen.
In der „Mondlandschaft“ leben seltene Spezialisten der Tier- und Pflanzenwelt. Naturschützer forderten, bei der Sanierung neben der Nutzung von Flächen für Land- und Forstwirtschaft sowie Freizeit, auch Naturschutzvorrangflächen zu berücksichtigen. Heute steht der überwiegende Teil der Schlabendorfer und Seeser Bergbaufolgelandschaft unter Naturschutz. In Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen sollen sie sich zu Naturparadiesen und Naturerlebnisräumen entwickeln.
Derzeit sind die wenigsten Flächen im Bereich Wanninchen betretungssicher im Sinne des Bergrechts. Unvorhersehbare Grundbrüche, Bodensenkungen und Geländerutschungen initiiren dynamische Prozesse, die das Landschaftsbild maßgeblich verändern. Diese Ereignisse sind aber auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Vorsorglich ist ein Großteil des Gebietes gesperrt, um notwendige Sanierungsarbeiten zu realisieren. Somit sind die in den 1990er Jahre erarbeiteten Sanierungsplänen festgeschriebenen Nutzungsarten in Frage gestellt. Es müssen neue Sanierungstechnologien entwickelt und den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Dies stellt die Sanierung und die naturschutzfachliche Arbeit vor besondere Herausforderungen. Die Sperrung der Gebiete hat direkte Auswirkungen auf die Umsetzung von Naturschutzzielen.
Von der Ruhe profitieren viele Arten: der Wolf, der seit 2013 ein festes Revier bewohnt, Rot- und Schwarzwild, da keine Jagd erfolgt, sowie die Kraniche in ihren Schlafplätzen. Auch Boden bewohnende Arten der Sandtrockenrasen, wie die Blauflügelige Ödlandschrecke, Blauflügelige Sandschrecke und Kreiselwespe, profitieren zunächst. Es ist jedoch ein Paradies auf Zeit. Egal, welche Strategien man künftig verfolgt, es wird unter den Arten Gewinner und Verlierer geben. In diesem Zusammenhang werden neue Sanierungskonzepte diskutiert, welche einen stärkeren Fokus auf die Entwicklung von großflächigen Naturentwicklungsgebieten in der Bergbaufolgelandschaft legen. Diese können einerseits den Sanierungsaufwand und die damit verbundenen Kosten minimieren, andererseits langfristig naturschutzfachlich hochwertige Lebensräume entstehen lassen.
Diese Option ist in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt verankert. In dem Papier der Bundesregierung werden Bergbaufolgelandschaften explizit für die Entstehung von Wildnisgebieten vorgeschlagen. Die Kohlekommission hat diese Entwicklungsmöglichkeiten, auch in Hinblick auf Naturtourismus und Regionalentwicklung, in ihrem Abschlussbericht nicht berücksichtigt. Zur Umsetzung naturschutzfachlicher Konzepte vor dem Hintergrund der Minimierung oder Anpassung von bergrechtlich geforderten Sanierungsmaßnahmen muss ein gesellschaftlicher Konsens gesucht werden, in dem Naturschutzbelange nicht zu kurz kommen.
Für den Braunkohletagebau müssen große Flächen zunächst trocken gelegt werden. Aufwändig wurde das Grundwasser abgesenkt und aus den Gruben gepumpt. So sank auch der Grundwasserspiegel im Umland der Kohlegruben. Wälder verloren ihre Wasserversorgung und Moore trockneten aus. Mit dem Ende des Kohletagebaus kehrte auch das Wasser zurück und mit ihm das Leben. Das Wasser gestaltet die Sandlandschaften. Regen oder anstehendes Grundwasser füllt Bodensenken mit Wasser. Doch diese flachen Tümpel können schnell wieder austrocken. Daher kommen hier keine Fische vor. Das sind ideale Bedingungen für sich schnell entwickelnde Amphibien und Libellen, deren Eier und Larven hier sicher sind vor räuberischen Fischen. Die Tümpel sind wichtige Trittsteine zwischen den Lebensräumen und fördern die Besiedlung der Landschaft.
Die Tornower Niederung wurde nach dem Kohleabbau über zwanzig Jahre landwirtschaftlich genutzt - bis im Jahr 2000 das Grundwasser die Oberfläche erreichte. Kein Modell der Sanierungsplanung hatten diesen Fall vorgesehen. Das Wasser eroberte die Landschaft und ein über 350 Hektar großes Naturentwicklungsgebiet entstand. Im Rahmen der Sanierung wurde auf klassische Bodenverdichtung weitgehend verzichtet und durch Sprengungen eine ausreichende Sicherung des Geländes erreicht. Um Gefahren für Menschen auszuschließen, wird ein umlaufender Rütteldamm mit Graben geplant. Der Damm soll das Betreten der ungesicherten Bereiche verhindern.
Die Tornower Niederung, aber auch andere Flachwasserbereiche in der Bergbaufolgelandschaft sind bedeutende Rastplätze für Kraniche und Gänse. Auf ihrem Weg in das Winterquartier machen die Tiere hier Pause. Auch im Frühjahr, wenn sie zu ihren Brutplätzen fliegen, legen sie hier einen kurzen Stopp ein. Einige bleiben und brüten in den ungestörten Bereichen der Naturschutzgebiete. Im Winter folgen ihnen die Singschwäne, die den Sommer in Nordeuropa und Sibirien verbracht haben. Ihr klingender Ruf erfüllt dann die kalte Winterluft. Im Herbst ist ein anderes, ganz eigentümliches Geräusch zu hören. Die Rothirsche buhlen um die Gunst der Hirschkühe und röhren um die Wette. Wölfe folgen den Spuren der Rothirsche. Seit 2013 lebt ein Rudel in und um Wanninchen.
Das letzte Haus des ehemaligen Dorfes Wanninchen, das die Bagger stehen ließen, ist heute das Natur-Erlebniszentrum der Heinz Sielmann Stiftung und Infozentrum des Naturparks Niederlaustizer Landrücken. Ausstellungen informieren zur Landschaft und ihren Tier- und Pflanzenarten, zu den „verschwundenen Orten“, sowie zum Leben von Heinz Sielmann. Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm lockt das ganze Jahr über Besucher nach Wanninchen. Die Nähe zum Biosphärenreservat Spreewald ermöglicht es, Gäste gezielt in die Region zu leiten. Der naturtouristische Wert steigt, wenn konkrete Naturschutzziele in der Sanierungsplanung verankert werden. Das dies gelingen kann, zeigt die Region um Wanninchen. Naturschutz, Wildnisentwicklung, Umweltbildung und Naturtourismus gehen Hand in Hand mit der touristischen Entwicklung und der bergrechtlichen Sanierung des Gebiets. Das ist eine Zukunftsvision für die Bergbaufolgelandschaften für Mensch und Natur.
Der Erhalt der biologischen Vielfalt und Biotopverbünde müssen Teil der Szenarien für den Kohleausstieg sein. Der Naturschutz ist Teil der Lösung im Umgang mit den Bergbaufolgelandschaften. Das zeigt die Heinz Sielmann Stiftung eindrücklich am Beispiel von Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen. Die Kosten für die bergrechtliche Sanierung können optimiert werden. Das naturtouristische Potential der Regionen wird durch touristische Infrastruktur wie Radwege, Beobachtungstürme und Informationszentren gesteigert. Eine kluge Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist auch im Sinne des Klimaschutzes eine Voraussetzung für die Entwicklung der Gebiete. Durch die touristische Entwicklung der Region entstehen Arbeitsplätze im Dienstleistungs- und Servicesektor. Für die Erreichung der Klimaziele spielen die Gebiete ebenfalls eine große Rolle. Durch die Revitalisierung von Mooren und den Schutz von Wäldern wir langfristig CO2 gebunden.
Ab dem Jahr 2019 stellt die Bundesregierung 10 Millionen Euro jährlich für den Erwerb von potentiellen Wildnisgebieten in einem Förderprogramm zur Verfügung. So bietet sich die Möglichkeit Bergbaufolgelandschaften für den Naturschutz zu sichern. Zusätzlich wird ein Großteil der nötigen Kosten für die bergrechtliche Sanierung übernommen. Damit ergeben sich Chancen zusätzliche Mittel in die Regionen zu holen. Auch hier kann die Heinz Sielmann Stiftung auf Erfahrungswerte beim Thema Flächenerwerb und der Umsetzung von Förderprojekten zurückgreifen.
Mehr über Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen
Ralf Donat
Leiter Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen
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ralf.donat(at)sielmann-stiftung.de
Wanninchen 1, 15926 Luckau / OT Görlsdorf
Die Fotos in diesem Beitrag stammen, sofern nicht anders vermerkt, von Ralf Donat.
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