Geniale Täuschung

Wie Tarnung die Überlebenschancen von Tieren verbessert

von Caroline Hübenbecker

Vom Täuschen und Imitieren

Um in einer Welt voller Wettbewerb und Fressen-und-Gefressen-werdens zu bestehen, hat die Natur im Laufe der Evolution erstaunliche Überlebenskonzepte entwickelt.

Was liegt näher, als sich "zu verkleiden oder zu maskieren", um sich beispielsweise gefährlicher auszugeben als man tatsächlich ist und so Feinde abzuschrecken? So setzen einige Lebewesen auffällige Augenflecke ein, um ein größeres Tier zu imitieren.

Großer Schillerfalter

Auch die Augenflecke des Tagpfauenauge (Aglais io) fixieren den Betrachter regelrecht. Dies verschafft dem Schmetterling eine Art Schutzschild: Er nutzt die Irritation seiner Feinde, um schnell die Flucht zu ergreifen.

Auch diese Raupe des Mittleren Weinschwärmers (Deilephila elpenor) bedient sich dieses Tricks, den man Schutzmimikry nennt. Sein Ziel ist es, sich vor Fressfeinden zu schützen und zu überleben.

Raupe des Mittleren Weinschwärmers

Mit List und Tücke überleben

Der Hornissenschwärmer (Sesia apiformis) beispielsweise ahmt das Aussehen der Hornisse nach. So reduziert er das Risiko als leichte Beute für Vögel und andere Tiere zu enden, da diese Hornissen aufgrund ihres schmerzhaften Abwehrstichs gelernt haben zu meiden.

Der Wespen-Glasflügler (Synanthedon vespiformis), die harmlose Wespenschwebfliege (Chrysotoxum cautum) oder Käfer wie der Wespenbock-Käfer (Clytus arietis) geben sich mit schwarz-gelben Signalfarben als wehrhafte Wespen aus, um nicht gefressen zu werden. 

Hornissenschwärmer
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So ähneln die harmlosen Blätter der Taubnesseln (links) denen von Brennnesseln (rechts), brennen aber im Gegensatz dazu nicht. Doch bereits die Optik schreckt gefräßige Feinde vom Knabbern ab.
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Verführerische Illusion

Eine andere Art der Nachahmung ist die Lockmimikry. Sie hat – wie der Name bereits vermuten lässt – zum Ziel, potentielle Beute oder Bestäuber anzulocken.

Die Blüte der Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera) imitiert täuschend echt ein Insekt und ahmt perfekt den Lockduft weiblicher Grabwespen nach.

Getäuschte männliche Grabwespen merken den Irrtum erst, nachdem sie auf der Blüte gelandet sind und diese mit herabfallendem Pollen anderer Ragwurzblüten bestäubt haben.

Fliegen-Ragwurz

Eins sein mit der Umgebung

Eine weitere Taktik von Tieren und Pflanzen, um nicht aufzufallen, ist es, sich so perfekt im Lebensraum zu tarnen, dass sie gar nicht erst auffallen. Das nennt man Mimese. Sie verschmelzen optisch geradezu mit ihrer Umgebung. Erst wenn sie sich bewegen, fliegt die Tarnung auf.

Kleiner Wasserfrosch

Heuschrecken, Frösche und Schmetterlingsraupen nutzen die sogenannte Phytomimese, indem sie sich erfolgreich als Pflanzen ihrer Umgebung tarnen.

Zwitscherschrecke

Schmetterlingsarten wie die Rostbinde (Hipparchia semele) sind mit ihren zusammengeklappten Flügeln kaum von ihrer sandigen Umgebung zu unterscheiden.

Kunst des Überlebens

Diese erstaunliche Anpassungsfähigkeit der Natur lehrt uns, dass Einssein mit der Natur nicht nur eine Taktik, sondern auch eine Kunst des Überlebens ist.

Über den Autor

Caroline Hübenbecker
Caroline Hübenbecker ist bei der Heinz Sielmann Stiftung Referentin für Web- & Community-Management.

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