Schaurigschön

Von Wesen, die für Gänsehaut sorgen

von Caroline Hübenbecker

Düstere Vergangenheit

Waldkauz (Strix aluco) und Steinkauz (Athene noctua) galten im Mittelalter als "Totenvögel". Wenn ein Mensch im Sterben lag, war oft ihr charakteristisches "Ku-witt" zu hören. Diesen Ruf interpretierte man in jenen Zeiten als "Komm-Mit" ins Jenseits.

Im Versuch den Tod abzuwehren, jagten die Menschen den Kauz, töteten ihn und nagelten ihn anschließend sogar an die Tür. Dieser Aberglaube spiegelte das mittelalterliche Verständnis von Natur und Symbolismus wider und führte zu einer tragischen Verfolgung von Wald- und Steinkauzen. 

Licht ins Dunkel

Heute kennen wir den wahren – deutlich banaleren – Grund, weshalb sich der Waldkauz oft in der Nähe von Toten aufhielt: Das kontinuierlich brennende Licht während der damaligen Nachtwache bei den Toten zog Nachtfalter an, die neben kleinen Säugern willkommene Beute für den Steinkauz sind.

Friedhöfe sind ruhige und einsame Orte – perfekt für nachtaktive Tiere, die tagsüber schlafen und Energie für die nächtliche Jagd tanken. Die Stille in der Nacht bietet Eulen ideale Bedingungen, um ungestört auf Beutezug nach Nagern wie Mäusen zu gehen, die sich in der Nähe des Friedhofs aufhalten.

Versteckte Nistplätze

Zudem bieten Friedhöfe eine Vielzahl von versteckten und geschützten Orten, die Eulen als Nistplätze aufsuchen. So können sich morsche Bäume mit ausgedienten Spechthöhlen, Gräber und Monumente als geeignete Brutstätten herausstellen.

Im Waldbiotop Weißenstein erhalten wir alte und sterbende Bäume, um Arten wie dem Waldkauz eine Heimat zu geben.

Seelen-Jäger

Auch die in Nordamerika beheimatete Schwarzkehl-Nachtschwalbe (Caprimulgus vociferus) wurde als Vorbote des Todes gefürchtet. Man glaubte, der nachtaktive Vogel lauere um einen sterbenden Menschen, um ihm bei seinem Tod die Seele zu entreißen.

Zugegebenermaßen sieht die Schwarzkehl-Nachtschwalbe mit ihrem winzigen, breiten Schnabel, den steifen Borsten im Schnabelwinkel und ihren kurzen Beinen ziemlich sonderbar aus. Tagsüber hockt der schwarz, weiß und braun gemusterte Vogel bestens getarnt auf dem Boden und wartet auf die Dämmerung.

Unheimliche Verwandtschaft

Der europäische Verwandte, die Nachtschwalbeoder Ziegenmelker genannt (Caprimulgus europaeus), ist laut Roter Liste 2020 gefährdet (Kat. 3). Auch sie sitzt tagsüber bewegungslos und bestens getarnt auf Ästen und jagt in der Dunkelheit – allerdings auf der Suche nach Nachtfaltern anstatt auf Seelen.

Der Grund für den Namen ist trotzdem schauerlich: Früher glaubte man, Ziegenmelker würden nachts Ställe aufsuchen, um an den Eutern von Kühen oder Ziegen Milch zu saugen. Tatsache ist jedoch, dass sie in der Nähe der Nutztiere und deren Dung genügend Insekten finden.

Blutsaugende Bestien?

Auch Fledermäuse jagen manchen Menschen einen kalten Schauer über den Rücken. Doch stimmt das Image der blutsaugenden Kreaturen, die auf der Suche nach einer geeigneten Beute im Zickzackflug durch die Nacht flattern?

Fransenfledermaus in einer Spalte im steinigen Gemäuer eines Bunkers

Eher Ausnahme statt Regel

Von den weltweit 1.400 Fledermausarten ernähren sich nur drei Arten von Blut. Diese sogenannten Vampirfledermäuse leben ausschließlich in Lateinamerika. Mit spezialisierten Zähnen stechen sie kleine Wunden in Vögel oder die Füße von Wild- oder Nutztieren wie Rindern und lecken das austretende Blut.

Mücken, aufgepasst!

Unsere 25 einheimischen Fledermausarten sind bedeutend harmloser: Sie jagen nach Insekten wie Mücken, Nachtfaltern oder Käfern. Etwa 30 Prozent aller Fledermausarten weltweit ernähren sich sogar nur vegetarisch, und zwar von Pollen oder Früchten wie Datteln oder Mangos.

Wir Menschen stehen nicht auf ihrer Speiseliste. Im Gegenteil: Dank ihrer hochentwickelten Fähigkeit zur Ultraschall-Echolokation erhalten Fledermäuse Informationen über Entfernung, Größe, Form und Bewegung der Objekte in ihrer Umgebung – und weichen dem Menschen aus.

Grüße vom Vampir

Vampire ziehen viele Menschen in ihren Bann. Sogar auf dem Rücken der Nosferatu-Spinne (Zoropsis spinimana) soll mit etwas Fantasie das Gesicht des Vampirs aus dem gleichnahmigen Stummfilm von 1922 zu erkennen sein. Aber muss man sich wirklich vor ihr fürchten? Nein, Grund zur Angst gibt es nicht.

Zwar kann die Spinne mit ihren verhältnismäßig großen Mandibeln die Haut des Menschen durchstechen. Allerdings beißt sie nur, wenn sie sich angegriffen fühlt, wobei ihr Gift ungefährlich für uns ist. Dennoch sorgt sie allein aufgrund ihrer Größe von sieben Zentimetern bei so Manchem für Unbehagen.

Grauen für Insekten

Für Insekten kann sie allerdings zum Horror werden: Im Dunkel lauert die Spinne auf ihre Beute und überwältigt sie mit einem gekonnten Sprung. Spezielle Hafthaare an den Beinen ermöglichen es ihr, problemlos glatte Flächen wie Fensterscheiben emporzuklettern.

Die ursprünglich aus Südeuropa und Nordafrika stammende Spinne kommt inzwischen immer häufiger auch in unseren Breiten vor. Doch anstelle von lichten Wäldern oder versteckt unter Rinde oder Steinen wie in ihrer Heimat, bevorzugt die wärmeliebende Art hierzulande doch eher Gebäude als Unterschlupf.

Blutsaugende Würmer

Blutsauger gibt es auch im Wasser: den Blutegel (Hirudinea). Die natürliche Population des Blutegels hat sich seit dem verstärkten Einsatzes medizinischer Egel (Hirudo medicinalis) erheblich dezimiert.

Heutzutage sind Blutegel in Europa nur noch in wenigen Regionen in ihrer ursprünglichen Umgebung anzutreffen. Ihre bevorzugten Lebensräume sind hauptsächlich Gewässer mit schlammigem Grund und einer üppigen Vegetation aus Wasserpflanzen.

Positives Zeichen

Im Bodensee wies man vor etwa zehn Jahren Pferdeegel (Haemopis sanguisuga) nach. Ihr Vorkommen in heimischen Gewässern deutet auf eine gute Wasserqualität hin und ist alles andere als besorgniserregend. Anstelle von Blut schlürfen diese Egel jedoch lieber kleine Wassertiere.

Sie sind neugierig geworden, welch spannende, kuriose oder auch weniger schaurige Tiere unsere Landschaften und Projektgebiete bevölkern?

Über den Autor

Caroline Hübenbecker
Caroline Hübenbecker ist bei der Heinz Sielmann Stiftung Referentin für Web- & Community-Management.

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