Tiere im Winter

Strategien gegen Hunger und Kälte

von Nora Künkler

Was machen Tiere im Winter?

Manche fliegen einfach weg, manche fallen in einen langen tiefen Schlaf und wieder andere versuchen sich durchzuschlagen. Wie geht es den Tieren eigentlich im Winter? Wir stellen die Überlebensstrategien unterschiedlicher Arten vor.

Dank Frostschutzmittel im Blut übersteht der Zitronenfalter die kalte Jahreszeit

Aktiv mit der Kraft der Sonne

Die grazilen Wintermücken (Trichoceridae) gehören zu den wenigen Insekten, die im Winter aktiv sind. Bei Temperaturen leicht über null Grad Celsius bemühen sich Schwärme von tanzenden Mückenmännchen Partnerinnen anzulocken. Wintermücken sind sehr kälteresistent. 

Dies verdanken die Mücken einem Glycerin-ähnlichen Frostschutzmittel in ihrer Körperflüssigkeit. Dieser Zucker-Alkohol senkt den Gefrierpunkt ab, wodurch verhindert wird, dass die Gewebe- und Zellstrukturen der Wintermücken durch Eiskristallbildung zerstört werden.

Zusätzlich sind Mückenkörper, Beine und Äderchen dunkelgrau bis schwarz gefärbt und wirken wie Sonnenkollektoren, die schon geringste Strahlungswärme der Sonne aufnehmen können.

Aktiv mit der Kraft der Sonne

Der Weiße Grasbär (Coscinia cribraria) ist eigentlich ein Wärme liebender Nachtfalter. Paradoxerweise sind seine Raupen aber im Winter aktiv. Wie für Bärenspinner üblich, tragen die Raupen ein borstiges Haarkleid. Dieses schützt jedoch nicht effektiv gegen Kälte oder Frost.

Vielmehr verkriechen sich die Tiere bei sehr kalten Bedingungen unter einer Schicht aus Moos und fallen in eine Winterstarre. Milde Wintertage dagegen nutzen sie, um sich zu sonnen. Das schwarze Outfit unterstützt dabei die Aufnahme der Sonnenenergie. 

 Bei der Nahrungssuche begnügen sich die Raupen mit jahreszeitentsprechender Schmalkost aus vertrocknetem Gras oder Moos. Sie verbringen das ganze folgende Frühjahr mit fressen und verpuppen sich erst im Juni.

Die Raupe des Weißen Grasbären ist auch im Winter auf Nahrungssuche unterwegs

Hummeln verbringen den Winter einsam

Hummeln gehören zu den Staaten bildenden Wildbienenarten, deren Völker aus bis zu 600 Individuen bestehen können. Im Gegensatz zu den Honigbienen überlebt das Hummelvolk allerdings nur einen Sommer. Während dieser Zeit steht die Aufzucht der Jungköniginnen im Vordergrund. 

Sie sind die Einzigen, die den Winter mit einer gut gefüllten Nektarblase an einem geschützten Ort überleben. Dazu verkriechen sie sich in Erdlöchern, Mauerritzen oder unter Laubhaufen.

Die winterliche Kälte stellt dabei kein Problem dar, dank eines köpereigenen Frostschutzmittels sind die Jungköniginnen für Temperaturen von bis zu -19 Grad Celsius gewappnet. Im zeitigen Frühjahr beginnt der Zyklus dann von Neuem, wenn die Jungkönigin ihr eigenes Volk gründet.

Im Herbst sucht sich die Hummel-Königin ein Winterquartier

Einfach Urlaub machen

Die einfachste Lösung, unseren Winter zu überstehen, könnte darin liegen, ihn einfach zu vermeiden. Und so sind nicht wenige unserer heimischen Vogelarten Zugvögel. Manche zieht es regelmäßig nach Afrika bis weit südlich des Äquators, wie Weißstörche oder Schreiadler.

Anderen, wie dem Hausrotschwanz oder dem Schwarzkehlchen, reicht das mildere Klima am Mittelmeer schon aus, während manch andere Art ihre Brutgebiete nur in Teilen räumt oder sogar nur ganz besonderen Witterungsbedingungen ausweicht.

Gerade längere Zugwege kosten viel Kraft. Deshalb legen sich viele Vögel vor dem langen Weg ein großes Fettpolster an – was sie besonders attraktiv für die Pfanne und damit für Vogelfänger in südlichen Ländern macht. Die Zugwege bergen diese und viele weitere Gefahren. 

Das macht sie zu einem unkalkulierbaren Risiko für jedes Individuum. Leider kehrt von unseren Zugvögeln regelmäßig nur ein Bruchteil in unsere Brutgebiete zurück.

Oder doch zu Hause bleiben?

Da scheint es doch fast besser, im Winter zu Hause zu bleiben. Doch aufgepasst: Wenn wir bei uns Amseln, Rotkehlchen oder Buchfinken beobachten, muss es sich nicht um die Tiere aus dem Frühjahr und Sommer handeln.

Bei vielen Arten findet ein regelrechter, von uns Menschen oft unbemerkter Austausch statt: Unsere Brutvögel verlassen das Gebiet Richtung Süden oder Westen, während Tiere der gleichen Art aus nördlichen und östlichen Gefilden den Winter bei uns verbringen.

Manchen Wintergast oder Durchzügler erkennen wir allerdings sofort, da die Art bei uns nicht brütet: Bergfink, Rotdrossel und Seidenschwanz bereichern unseren Winter, und das manchmal sogar in Massen.

Rotkehlchen sind neugierige Besucher am Futterhaus.

Schon gesehen?

Der Bergfink (Fringilla montifringilla) ist Wintergast bei uns. Er bringt es in manchen bucheckernreichen Jahren auf Schwärme mit mehreren Millionen Tieren.

Frieren Frösche ein?

Amphibien sind wechselwarme Tiere, das heißt, dass ihre Körpertemperatur von der Außentemperatur abhängt. Bereits ab 10 Grad Celsius können sie sich nicht mehr bewegen. Der Moorfrosch etwa (Rana arvalis) hat sich dann schon längst sein Winterquartier gesucht.

In laubgefüllten Kuhlen oder unter Baumwurzeln verbringt er die kalte Zeit in einer Kältestarre. Der Stoffwechsel und nahezu alle Körperfunktionen werden auf null heruntergefahren. So brauchen sie eben keine Energie. Im Frühjahr wecken dann die ersten warmen Sonnenstrahlen wieder alle Lebensgeister.

Ein Moorfrosch-Männchen hat den Winter gut überstanden und beeindruckt die Damenwelt mit schillerndem Blau.

Für den Winter tickt die Uhr

All diese Strategien, um die kalte Jahreszeit zu überleben, können nur eine bestimmte Dauer funktionieren. Denn trotz allem sind es Notfallpläne für den Organismus. Kein Tier kann ewig im Wintermodus leben, sondern ist darauf angewiesen, dass der Frühling kommt.

Die zeitliche Steuerung von Einwinterung und Beenden dieses Zustandes geschieht über innere Uhr, Temperaturen und Tageslichtmenge. Und da die Tage inzwischen wieder länger werden, tickt die Uhr, auch für den Winter.

Über den Autor

Nora Künkler
Nora Künkler ist studierte Biologin und arbeitete bis März 2023 als Pressesprecherin bei der Heinz Sielmann Stiftung.

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