Ununterbrochen schallt ihr quietschiges Plappern durch die Luft, während die schwarz-weißen Mehlschwalben vor dem blauen Frühlingshimmel immer wieder geschickt die Dachtraufe des historischen Gutshofs anfliegen. Rómulo Aramayo Schenk, Biologe aus dem Team Umweltbildung der Heinz Sielmann Stiftung, hat dort schon vor einigen Jahren 13 Kunstnester für die wendigen Flugkünstler angebracht. „Was im vergangenen Jahr noch eine zarte Hoffnung war, scheint sich nun zu bewahrheiten: Die Mehlschwalben haben sich auf Gut Herbigshagen wieder angesiedelt und entwickeln hier eine neue Bruttradition“, erzählt er begeistert.
Rätselhaftes Verschwinden
Bis in die 1990er-Jahren hinein hatten die Vögel stets auf Gut Herbigshagen gelebt. Dann verschwanden sie und kehrten jahrzehntelang nicht wieder. „Über den Grund kann man nur rätseln“, sagt Aramayo Schenk. Vielleicht störten damals Bauarbeiten an dem Haus die nistenden Vögel. Für Mehlschwalben ein oft fatales Ereignis: Bei der Wahl ihrer Nistplätze sind sie sehr standorttreu. Ohne nahe Ausweichmöglichkeiten geben sie einen Brutplatz dauerhaft auf.
Immer wieder versuchten Aramayo Schenk und andere Mitarbeitende bei der Stiftung die Tiere durch künstliche Nester anzulocken. Regelmäßig sah der Biologie, wie einzelne Mehlschwalben im Sommer das Gut überflogen. Doch während andere Vögel auf dem Hof ununterbrochen hausten, darunter auch die nah verwandten Rauchschwalben im Stall des Guts, blieben die Mehlschwalben fort.
Überraschende Rückkehr
Im Sommer 2024 machte der Biologe dann eine überraschende Entdeckung. An einem der so lange verwaisten Nisthilfen entdeckte er den weißen Bürzel einer Mehlschwalbe, ihr unverwechselbares Erkennungszeichen. Tatsächlich hatte sich ein Mehlschwalbenpaar eingefunden und brütete hier seine Jungen aus. „Die Vögel, die wir jetzt aktuell sehen, sind sehr wahrscheinlich die gleichen aus 2024 oder deren Jungtiere“, sagt Aramayo Schenk. „Es ist gut möglich, dass sich ihnen zukünftig Artgenossen anschließen.“
Insektensterben gefährdet auch Schwalben
Mehlschwalben überwintern als Zugvögel südlich der Sahara. Erst im April ziehen sie zum Brüten nach Mitteleuropa und bleiben dort bis in den September. Ihre halbkugelförmigen Nester bauen sie aus Lehm in die Nischen von Felswänden, häufiger jedoch an Hauswände unter Dachvorsprüngen. Wie Rauchschwalben gelten sie als Kulturfolger. Sie nutzen auch gerne alte Nester oder künstliche Nisthilfen. Mehlschwalben sind sehr gesellig, ihre Kolonien können aus dutzenden bis hunderten von Paaren bestehen. Sie brüten im Mai und Juni, wobei auf die erste Brut direkt eine zweite folgt. Dabei legen sie jeweils bis zu sieben Eier.
Mehlschwalben fressen fliegende Insekten. Deren Rückgang erschwert den Vögeln jedoch die Nahrungssuche. Auch, dass ihre Nester häufig als störend wahrgenommen und entfernt werden, schwächt das Überleben von Kolonien. In Deutschland kommen Mehlschwalben zwar noch häufig vor, doch ihre Bestandszahlen sinken seit Jahren kontinuierlich, sodass sie mittlerweile als gefährdet gelten. Eine Entwicklung, die sie mit vielen weiteren bekannten Vogelarten wie Star oder Feldlerche teilen.
Auf einen Besuch im Natur-Erlebniszentrum Gut Herbigshagen
Einzelne Brutkolonien von Mehlschwalben, wie sie sich nun bei Gut Herbigshagen neu etablieren, sind daher wichtig, um die regionalen Vorkommen zu stabilisieren. „Dieser tolle Erfolg zeigt, dass es sich immer lohnt, die Lebensbedingungen für Vögel zu verbessern“, sagt Aramayo Schenk. „Auch Jahre später können solche Maßnahmen noch den gewünschten Effekt erzielen.“
Auch in diesem Sommer wird das Gezwitscher der Mehlschwalben das Vogelkonzert auf Gut Herbigshagen bereichern. Bei einem Besuch in Sielmanns Natur-Erlebniszentrum Gut Herbigshagen lassen sich ihre beeindruckenden Flugkünste und ihr aufgewecktes Wesen live erleben. „Wir haben auf der Nord- und Südseite unter dem Dach des alten Gutshofs Nisthilfen angebracht“, sagt Aramayo Schenk: „Die Chancen stehen gut, dass sich die Vögel hier am ehesten niederlassen und entsprechend beobachtet werden können.“
Mehr über Gut Herbigshagen erfahren unter www.gut-herbigshagen.de