Die 26. Benediktbeurer Gespräche fanden am 29. und 30. April 2025 im Kloster Benediktbeuern statt und wurden vom Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) gemeinsam mit der Heinz Sielmann Stiftung veranstaltet. Bei dem jährlich stattfindenden zweitägigen Symposium waren sich die Fachleute einig: Die Zeit, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten, läuft uns davon – mit verheerenden Folgen, nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch für die menschliche Existenz.
Jochen Paleit, Vorstandsvorsitzender der Heinz Sielmann Stiftung, ging auf die Herausforderungen unserer Zeit ein: „Der Klimawandel nimmt rasant zu, wir haben Wasserknappheit. Da ist die Frage der Nahrungsmittelunsicherheit, die Staatsverschuldung ist gigantisch, die Bürgerschaft polarisiert sich und es gibt sogar eine Wissenschaftsfeindlichkeit. Wir alle müssen jetzt dringend liefern. Die versöhnende naturschutzfachliche Antwort auf diese Herausforderungen ist die Etablierung großer und weitläufiger Weidelandschaften. Wir brauchen also ,Rinder‚gute Landwirte und Ranger’.“
Fehlendes Bewusstsein für die Biodiversitätskrise
Dass angesichts der aktuellen Krisen die Dringlichkeit des Naturschutzes in der öffentlichen Wahrnehmung zu kurz kommt, betonte Dr. Fritz Brickwedde, Vorsitzender des Stiftungsrates der Heinz Sielmann Stiftung: „Ich hoffe, dass wir inhaltlich weiterkommen und in der Lage sind, zu erkennen, dass es neben Klimaschutz ein noch größeres Thema gibt, nämlich die Biodiversitätskrise.“
Beweidung oder Wildnis – was ist der beste Weg aus der Krise?
Welcher Weg der Beste ist, um das drastische Artensterben aufzuhalten, wird unter Naturschützern oft kontrovers diskutiert. Sollen möglichst viele Flächen als Wildnis sich selbst überlassen werden, wie beispielsweise in großen Nationalparks, oder braucht es die Nutzung durch extensive Beweidung, um Landschaften zu pflegen und erhalten?
Die bayerische Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus Michaela Kaniber sprach sich für beide Strategien aus: „Wir brauchen in Bayern wertvolle Rückzugsräume, in denen sich die Natur ohne menschliches Eingreifen entwickeln kann. Aber sie können nicht die alleinige Antwort sein. Ohne Nutzung würde die Vielfalt unserer wunderschönen Kulturlandschaft verschwinden. Aus meiner Sicht ist es falsch, zwischen Natur und Nutzung zu unterscheiden oder sie gar gegeneinander auszuspielen.“
Große Weidetiere als Chancen für die Artenvielfalt
Mit eindrucksvollen Videoaufnahmen machte der Naturfilmer Jan Haft auf die Bedeutung großer Pflanzenfresser (Megaherbivoren) für die Ökosysteme aufmerksam. „Wir müssen im Naturschutz aufhören zu denken, ein großes Tier beeinträchtigt die Natur und verursacht Schäden. In einem Landschaftsökosystem sind die durch große Tiere geschaffenen Lebensräume Hotspots für Käfer, für Wildbienen und viele weitere Arten, die auf der Roten Liste stehen.“ Er sprach sich klar für die Beweidung als beste Strategie aus, um ein Maximum an Artenvielfalt zu erreichen. Die Fleischproduktion sei ein großes Problem bei der Massentierhaltung, eine naturnahe, extensive Beweidung hingegen habe eine positive CO2-Bilanz und ermögliche einen effektiven Naturschutz.
Natur Natur sein lassen – die bessere Strategie?
Peter Südbeck, Direktor des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und Vorsitzender der Nationalen Naturlandschaften, betonte die einzigartige Schaffenskraft der Natur: „Wildnis kann man nicht erfinden. Wahre Wildnis finden Sie in unseren Nationalparks.“ Er wies auf den geringen Anteil von großen Wildnisgebieten in Deutschland hin: „Wenn es stimmt, dass die Natur Lösungen hat, die uns Menschen gar nicht einfallen würden, dann verlassen wir uns heute auf nur 0,6 Prozent großer Flächen, auf denen wir die Natur sprechen lassen. Ob das zukunftsfähig ist, darüber müssen wir ernsthaft nachdenken.“
Dr. Christoph Schenk, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt,schloss sich an: „75 Prozent der Erdoberfläche haben wir bereits massiv verändert, wir müssen unbedingt den Natursystemen ausreichend Raum geben. Das bedeutet die Abwesenheit eines gestalterischen Elementes durch den Menschen.“
Dr. Lutz Spandau, Vorstand des Trägerbundes ZUK und Moderator des Symposiums, resümierte: „Obwohl wir alle zusammenwirken, um eine lebenswerte Zukunft zu schaffen, zeigt sich, dass es ganz unterschiedliche Wege gibt, die ein breites Spektrum von Handlungsspielräumen widerspiegeln. Die Frage, ob der Schutz der Natur besser durch Nutzung oder durch Wildnis erreicht wird, ist komplex. Eine ausgewählte Kombination beider Strategien ist entscheidend, um den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden.“
Menschen zum Handeln bringen
Wichtig sei zudem, so waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig, die Menschen mit der Dringlichkeit der Biodiversitätskrise bekannt zu machen. Spandau ermutigte die Gäste: „Jeder von Ihnen kann dazu beitragen, positive Veränderungen in die Welt zu tragen, sei es im persönlichen Umfeld, oder durch gemeinschaftliche Initiativen. Diese klare Botschaft soll von den Benediktbeurer Gesprächen ausgehen.“