„Die warmen Spätsommertage sind ideal, um Gottesanbeterinnen zu entdecken. Sie sitzen meist regungslos an Grashalmen oder abgeblühten Pflanzen und lauern auf Beute", sagt Dr. Hannes Petrischak, Leiter des Geschäftsbereichs Sielmanns Naturlandschaften und Naturerlebnis bei der Heinz Sielmann Stiftung. Wenn die Tiere dann ihr Opfer plötzlich pfeilschnell mit den Fangbeinen ergreifen, ergeben sich spektakuläre Naturszenen. Eine ganz besonders seltene Beobachtung konnte Petrischak im September 2023 mit der Kamera einfangen. Bei einer Exkursion in der Döberitzer Heide fotografierte er eine Gottesanbeterin, die eine Zauneidechse verspeiste.
Seltenes Verhalten mit der Kamera eingefangen
„Ein solches Jagdverhalten beobachten und fotografieren zu können, ist wirklich etwas Außergewöhnliches. Wir wissen zwar aus historischen Berichten und von einzelnen dokumentierten Fällen, dass Gottesanbeterinnen kleine Wirbeltiere wie Reptilien, Frösche oder Spitzmäuse erbeuten. Trotzdem gelingt es nur äußerst selten, dieses Verhalten auch fotografisch festzuhalten", erklärt Petrischak.
Die perfekt getarnte Gottesanbeterin saß kopfüber an Grashalmen am Wegesrand und hatte bereits mit ihrem blutigen Mahl begonnen, während die Eidechse im aussichtslosen Abwehrkampf einen Teil ihres Schwanzes durch Autotomie abgeworfen hatte - eine Überlebensstrategie, die diesmal nicht zum Erfolg führte.
Rollentausch beim Fressen und Gefressenwerden
Die Natur schreibt unterschiedliche Drehbücher: Während erwachsene Zauneidechsen im Frühjahr gerne junge Gottesanbeterinnen erbeuten, wendet sich im Spätsommer das Blatt. Dann können die ausgewachsen bis zu 7,5 Zentimeter großen Fangschrecken zu einer Bedrohung für junge Echsen werden. Die kräftigen Dornen an den Fangbeinen der Lauerjägerinnen machen ein Entkommen praktisch unmöglich.
Klimawandel verschiebt die Vorkommensgrenze nach Norden
Gottesanbeterinnen waren einst als mediterrane Art aus Südeuropa bekannt. Mittlerweile kommt die Art in großen Teilen Deutschlands vor. Im Osten ist sie bereits flächendeckend über Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin verbreitet. Parallel hat sie sich vom Südwesten über Baden-Württemberg bis nach Nordrhein-Westfalen ausgebreitet. In Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide wird die Art seit 2019 regelmäßig beobachtet. Die aufgrund des Klimawandels immer heißeren, trockenen Sommer wirken dabei als Wegbereiter: Das sind genau die Bedingungen, die die Fangschrecke braucht.
Rausgehen im Herbst: Eine gute Zeit für Naturerlebnisse
Wer selbst auf Gottesanbeterin-Safari gehen möchte, findet in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide ideale Bedingungen. Das 3.600 Hektar große Naturschutzgebiet westlich von Berlin bietet mit seinen sonnigen Magerrasen, blühenden Heideflächen und strukturreichen Brachen perfekte Lebensräume für die imposanten Insekten. Die warmen Septembertage machen eine Wanderung zu einem besonderen Erlebnis. Mit etwas Geduld und einem aufmerksamen Blick lassen sich neben Gottesanbeterinnen und Zauneidechsen auch seltene Schmetterlinge oder die großen Pflanzenfresser wie Wisente, Przewalski-Pferde und Rothirsche entdecken.